Zum Inhalt [I]
Zur Navigation [N]
Kontakt [C] Aktuelles [2] Suchfunktion [4]

Impuls zum 13. Februar 2022

Zum 6. Sonntag im Jahreskreis

Von Gerold König (Langerwehe), pax christi-Bundesvorsitzender 

Einstieg
Am vergangenen Wochenende war ich in Frankfurt bei der 3. Vollversammlung des Synodalen Weges.
216 Menschen aus allen Teilen Deutschlands sind zusammengekommen, um insgesamt 14 Texte zu beraten, zu kommentieren, zu diskutieren und letztendlich darüber abzustimmen.
Papiere ohne Ende – Auslegungen und Worte, Anträge zum Inhalt und zur Geschäftsordnung.
Aber ging es um Texte und Papiere?
Ging es um Auslegungen?
Es ging um Wahrhaftigkeit
Um Glaubwürdigkeit
Um Vertrauen
Um Hoffnung
Um Veränderung

Wenn ich zurückblicke auf diese drei sehr vollen und wortreichen Tage, bin ich dankbar und positiv überrascht. Der Wille zur Veränderung, die Einsicht, dass endlich etwas passieren muss in dieser unserer Kirche war deutlich spürbar.

Impulstext

Chassidische Erzählung
Rabbi Israel Baal Schem Tow unterrichtete seine Schüler als sie von einem Klopfen an den Fensterscheiben gestört wurden.

Ein armer Bauer, der einen Wagen voll mit Werkzeugen zog, schaute durch das Fenster zu ihnen hinein:
„Habt Ihr etwas zu reparieren?“ rief er „wacklige Tische, zerbrochene Stühle? Einen lockeren Ziegel am Herd?“

„Nein, nein!“ riefen die Schüler ungeduldig, denn sie wollten den Unterricht möglichst bald und schnell fortsetzen, „alles ist einwandfrei. Bei uns gibt es nichts zu reparieren!“

„Wirklich nichts?“ fragte der Bauer „das ist unmöglich, schaut genau nach – ihr findet bestimmt etwas, was repariert werden muß!“

Die Schüler wiesen den Mann ab – „hier ist alles in Ordnung – geh Deines Weges und lass uns in Ruhe – Du hast doch gehört: Bei uns ist alles in Ordnung.“

Der Bauer nahm seinen Karren mit den Reparaturwerkzeugen wieder auf und ging kopfschüttelnd weiter.

Der Rabbi Israel aber blickte seine Schüler mit finsterer Miene und verärgert an: „Wie oft habe ich Euch schon gesagt, dass es in Gottes Welt keine Zufälle gibt? Jedes Ereignis und jeder Erfahrung hat einen Sinn, und alles, was wir sehen und hören ist eine Lektion für unseren Dienst am Allmächtigen. Habt Ihr nicht begriffen, wie tiefgreifend die Worte des armen Bauern gerade waren? Schaut Euch um, schaut Euch an – ist alles so vollkommen, wie ihr es beschreibt? Manchmal mag es ja so aussehen, aber wenn wir unser Herz ehrlich erforschen und unser Leben prüfen, ist dann wirklich alles in Ordnung? Gibt es nichts, was einer Reparatur bedarf?“

Seit den Entdeckungen aus den 1970 er und 1980er Jahren am Canisius-Kolleg in Berlin 2010 sind mittlerweile 12 Jahre vergangen. Bis dahin haben wir auch alle gedacht, dass es nichts Reparaturbedürftiges gibt in unserer Kirche. OK – hier mal eine kleine Schraube anziehen und dort mal einen Nagel einsetzen, hier mal etwas geraderücken und dort mal Staub wischen. Das gab es schon auch. Es gab auch immer wieder „Reparaturdienste“ die sich angeboten haben, unsere Kirche mal unter die Lupe zu nehmen, Aber wie die Schüler des Rabbi Israel wollten wir die Reparaturanfälligkeit nicht wahrhaben. Haben nicht sehen wollen, wie wacklig dieses Bauwerk Kirche tatsächlich ist.

Dann brachte die MHG Studie in den Jahren 2014 – 2018 alles ans Licht. Unglaublich, was geschehen ist – unfassbar, welches Leid im Namen dieser Kirche Menschen zugefügt worden ist. Ich bin immer wieder erschüttert, wenn ich die Erzählungen von Betroffenen sexualisierter Gewalt höre oder nachlese, was sich alles ereignet hat. Unbegreiflich für mich. Und wenn ich in mich hineinhöre und zurückblicke auf meine Zeit in der kirchlichen Jugendarbeit, dann fallen mir Momente und Situationen ein, wo ich hätte aufwachen müssen, wo ich hätte sehen müssen.

Lange hat es gedauert, bis mir und vielen von uns bewusst wurde, was geschehen ist – im Namen der Kirche, mit Deckung und Vertuschung von Taten. Ich bin froh, dass wir uns mit dem synodalen Weg auf den Weg gemacht haben, dazu beizutragen, dass Licht in das Dunkel kommt und das Veränderungen angegangen werden. Wir können das Geschehene nicht ungeschehen machen und uns fragen:

Habt Ihr nicht begriffen, wie tiefgreifend die Worte des armen Bauern gerade waren? Schaut Euch um, schaut Euch an – ist alles so vollkommen, wie ihr es beschreibt? Manchmal mag es ja so aussehen, aber wenn wir unser Herz ehrlich erforschen und unser Leben prüfen, ist dann wirklich alles in Ordnung? Gibt es nichts, was einer Reparatur bedarf?“

Am Beginn jeder Versammlung des Synodalen Weges steht ein Gebet
Gott unseres Lebens
Du bist denen nahe, die Dich suchen.
Zu Dir kommen wir mit unseren Fragen und unserem Glauben,
mit unserem Versagen und unserer Schuld,
mit unserer Sehnsucht und unserer Hoffnung.

Wir danken Dir für Jesus Christus,
unseren Bruder, Freund und unseren Herrn,
er ist mitten unter uns, wo immer wir uns in seinem Namen versammeln.
Er geht mit uns auf unseren Wegen. Er Zeigt sich in jedem Menschen. 
dem es schlecht geht; in den Armen, den Unterdrückten, den Opfern von Gewalt, 
den Verfolgten und an den Rand Gedrängten.

Wir bitten Dich:
Sende uns Deine Schöpferkraft, den heiligen Geist,
der uns neues Leben schafft.
Stehe unserer Kirche bei und lasse sie die Zeichen der Zeit erkennen.
Öffne unsere Herzen, 
damit wir Dein Wort hören und gläubig annehmen.
Inspiriere uns, miteinander die Wahrheit zu suchen.
Stärke unsere Treue zu Dir und erhalte uns in der
Einheit mit unserem Papst und der ganzen Kirche.
Hilf uns, dass wir Deine Gerechtigkeit und Deine Barmherzigkeit erfahrbar machen.
Gib uns die Kraft und den Mut,
aufzubrechen und Deinen Willen zu tun und Dein Wort zu bezeugen.
Du allein bist das Licht, das unsere Finsternis erhellt.
Du bist das Leben, das Gewalt, Leid und Tod besiegt.
Dich loben wir, jetzt und bis hin in Ewigkeit.
Amen

Lied GL 825
Vertraut den neuen Wegen
Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist,
weil Leben heißt: sich regen, weil Leben wandern heißt.
Seit leuchtend Gottes Bogen am hohen Himmelsstand,
sind Menschen ausgezogen in das gelobte Land.

Vertraut den neuen Wegen und wandert in die Zeit!
Gott will, dass ihr ein Segen für seine Erde seid.
Der uns in frühen Zeiten das Leben eingehaucht,
der wird uns dahin leiten, wo er uns will und braucht.

Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt!
Er selbst kommt uns entgegen. Die Zukunft ist sein Land.
Wer aufbricht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit.
Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit.

Evangelium
Nach Lukas 6, 17-26
Auch im Evangelium des heutigen Tages geht es um das Gehen, das Hören und das Sehen. Hören wir auf sein Wort:

Jesus stieg mit ihnen den Berg hinab. In der Ebene blieb er mit seinen Jüngern stehen und viele Menschen aus ganz Judäa und Jerusalem und dem Küstengebiet von Tyrus und Sidon waren gekommen, um ihn zu hören und von ihren Krankheiten geheilt zu werden. Und die von unreinen Geistern Geplagten wurden geheilt. Alle versuchten, ihn zu berühren; denn es ging eine Kraft von ihm aus, die alle heilte.

Er richtete seine Augen auf seine Jünger und sagte:
Selig, ihr Armen, denn Euch gehört Gottes Reich.
Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet gesättigt werden.
Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.
Selig seid ihr, wenn Euch die Menschen hassen und wenn sie Euch ausstoßen und schmähen und Euren Namen in Verruf bringen um des Menschensohnes willen.
Freut Euch und jauchst an jenem Tage, denn siehe, Euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn ebenso haben es die Väter mit den Propheten gemacht.
Doch wehe Euch ihr Reichen, denn ihr habt euren Trost schon empfangen. 
Weh euch, die ihr jetzt schon satt seid, denn ihr werdet hungern.
Wehe Euch, die ihr jetzt lacht, denn ihr werdet weinen und klagen.
Weh Euch, wenn Euch alle Menschen loben. Denn ebenso haben es ihre Väter mit den falschen Propheten gemacht.

Haben wir mit dem eingeschlagenen Synodalen Weg so gerade nochmal die Kurve bekommen? Haben wir uns auf den richtigen Weg gemacht? Verstehen wir wirklich die Zeichen der Zeit?

Nach den Tagen in Frankfurt bin ich zuversichtlicher in den Zug gestiegen und heimwärts gefahren.

Ich habe erlebt,
dass unsere Kirche wirklich auf einem neuen Weg ist und wie sich dabei gelebte Synodalität gestalten kann.
Das gemeinsame Ringen und die Wahrnehmung der gemeinsamen Verantwortung für die Zukunft machen mir Hoffnung.

So war es viel Papier, was wir durch- und abgearbeitet haben, aber immer in dem Bewusstsein, dass es um die Wahrnehmung von Verantwortung für Menschen ging:
  • Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag Grundtext)
  • Einbeziehung der Gläubigen in die Bestellung des Diözesanbischofs (Handlungstext)
  • Rahmenordnung für Rechenschaftslegung (Handlungstext)
  • Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit (Sachbericht)
  • Versprechen der Ehelosigkeit im Dienst des Priesters? (Handlungstext)
  • Persönlichkeitsbildung und Professionalisierung (Handlungstext) 
  • Prävention und Umgang mit Tätern (Handlungstext)
  • Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche (Grundtext)
  • Frauen im sakramentalen Amt (Handlungstext)
  • Diakonat der Frau (Handlungstext)
  • Lehramtliche Aussagen zur ehelichen Liebe (Handlungstext)
  • Lehramtliche Neubewertung von Homosexualität (Handlungstext)
  • Segensfeiern für Paare, die sich lieben (Handlungstext)
  • Grundordnung für den kirchlichen Dienst (Handlungstext)

Das sind nur Überschriften. Aber allein die Überschriften machen deutlich, dass miteinander „gerungen“ wurde. Die Hoffnung auf den Mut zur Veränderung machte sich deutlich in den Abstimmungen: Alle Handlungstexte, sowie der Orientierungstext und der Grundtext wurden mit großen Mehrheiten angenommen. Das macht Hoffnung und Mut jetzt die Schritte zu gehen, die Handlungstexte beschlussfähig zu formulieren und im September bei der 4. Synodalversammlung zu Ergebnissen zu kommen.

Was wir als Synodale brauchen?
Die Vergewisserung, dass Christinnen und Christen mit uns an die Veränderung glauben!
Wir brauchen die Fürbitte und das Gebet, dass die Kraft des Geistes immer noch da ist und bereit ist, uns auf diesem Weg zu begleiten.

Lied
Gib Frieden Herr, gib Frieden
Gib Frieden Herr, gib Frieden, die Welt nimmt schlimmen Lauf
Recht wird durch Macht entschieden, wer lügt ist obenauf.
Das Unrecht geht im Schwange, wer stark ist, der gewinnt.
Wir rufen: Herr wie lange? Hilf uns, die friedlos sind.

Gib Frieden, Herr, wir bitten! Die Erde wartet sehr.
Es wird soviel gelitten, die Furcht wächst mehr und mehr.
Die Horizonte grollen, der Glaube spinnt sich ein.
Hilf, wenn wir weichen wollen, und lass uns nicht allein.

Gib Frieden, Herr, wir bitten! Du selbst bist, was uns fehlt.
Du hast für uns gelitten, hast unsern Streit erwählt,
damit wir leben könnten, in Ängsten und doch frei,
und jedem Freude gönnten, wie feind er uns auch sei.

Gib Frieden Herrn gib Frieden: Denn trotzig und verzagt
Hat sich das Herz geschieden von dem, was Liebe sagt!
Gib Mut zum Hände reichen, zur Rede, die nicht lügt,
und mach aus uns ein Zeichen, dafür, dass Friede siegt.

Vater Unser
So lasst uns nun die Hände reichen, zur Rede, die nicht lügt und mach aus uns ein Zeichen, dafür, dass Friede siegt:

Vater unser im Himmel
Geheiligt werde Dein Name
Dein Reich komme, Dein Wille geschehe
Wie im Himmel, so auch auf Erden
Unser tägliches Brot gib uns heute
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern
und führe uns nicht in Versuchung
sondern erlöse uns von dem Bösen
Denn Dein ist das Reich
Und die Kraft und die Herrlichkeit
In Ewigkeit 
Amen.